
Wenn heute über das Pensionssystem geredet wird, dann ist das noch immer eine Diskussion über Privilegien und Günstlinge. Es geht primär darum, wem etwas weggenommen werden muss. Nun, diese Diskussion mag dort notwendig sein, wo tatsächlich sachlich nicht gerechtfertigte Privilegien existieren bzw. existiert haben, doch meist fokussiert sich diese Diskussion auf Altrecht und Altverträge, die in dieser Form gar nicht mehr neu geschaffen werden können.
Diesem negativen Fokus muss dringend ein positives Anforderungsprofil des Pensionssystems entgegengestellt werden. Welche Änderungen sind nötig, um bei lebensnaher Betrachtung den ArbeitnehmerInnen eine angemessene Pension zu ermöglichen? Wie schaffen wir es, dass junge Menschen dem öffentlichen Pensionssystem wieder Vertrauen entgegenbringen?
Das Rezept ist denkbar einfach und heißt Ehrlichkeit. Die Ausbildungserfordernisse für junge Menschen steigen konstant an. Der Bologna-Prozess mit dem 3-stufigen Modell der universitären Ausbildung führt in zahlreichen Studienrichtungen zu einer Verlängerung der Mindeststudienzeiten. In immer mehr Branchen werden immer besser ausgebildete Menschen gesucht. Gleichzeitig sind atypische Beschäftigungsverhältnisse und die armutsschaffende Praktikumskultur längst nicht mehr die Ausnahme sondern für viele junge Menschen der Regelfall. Die Betroffenen haben eines gemeinsam – sie haben nicht einmal die theoretische Chance im Alter von 65 Jahren auf die erforderlichen 45 Versicherungsjahre für eine abschlagsfreie Pension zu kommen. Selbst bei Einhaltung der Mindeststudienzeiten ist dies undenkbar.
Eine Möglichkeit zur Selbstversicherung von Studierenden gibt es derzeit nicht. Stattdessen existiert nur die unverhältnismäßig teure Option zum Rückkauf von Studienzeiten – eine Möglichkeit, welche der Lebensrealität von jungen Studienabsolventen am Arbeitsmarkt geradezu spottet. Denn längst ist ein absolviertes Studium kein Garant mehr für überaus gute Bezahlung. Hier muss der Gesetzgeber eingreifen und eine Möglichkeit schaffen, dass Bildungszeiten für die Pension angerechnet werden. Eine Möglichkeit dafür wäre ein Modell zur Selbstversicherung für Studierende zu günstigen Tarifen, so dass es für alle leistbar bleibt. Damit würde man zeigen, dass das Pensionssystem jungen Menschen zumindest die Chance gibt, die gestellten Anforderungen zu erreichen. Das wäre auch eine Chance, um Vertrauen in das System zurückzugewinnen. Denn einem System, das sie von vornherein ausschließt, können junge Menschen wohl kaum Vertrauen entgegenbringen.
PS: Im übrigen sollte mit der öffentlichen Propaganda und der teuren Förderung für private Pensionsvorsorge auch besser heute als morgen Schluss gemacht werden, weil diese Privatpension letztlich nur soziale Ungleichheiten verschärft und zudem Pensionsgelder der Spekulation am Finanzkapitalmarkt aussetzt.